Im Rahmen des Sommercamps der deutschen Amnesty-Jugend fand am 25. August im Jugenddorf Neuruppin das Treffen Jugend@Amnesty statt. Es war bereits das siebzehnte Mal, dass die Amnesty-Jugend in dieser Form zusammenkam, um sich auszutauschen, ihre Vertretung zu wählen und die Zukunft ihres Engagements mittels Anträgen zu bestimmen.
Nach der offiziellen Eröffnung durch die (noch) amtierende Jugendvertretung tauchten wir kurz ab in einige Formalia und die Vorstellung der wunderbaren Vertrauenspersonen und des Awareness-Teams, bevor wir mit einem Block zum Thema Klimakrise und Menschenrechte loslegten. Marcel Bodewig von der Klimakogruppe gab einen tollen Überblick darüber, dass der Klimaprotest keine monolithische Bewegung ist, sondern vielfältige Formen umfasst, von den Klimastreiks hin zu Waldbesetzungen. Diese verschiedenen Strömungen und Protestformen werden politisch und rechtlich jedoch oft zusammengeworfen, sodass alle Klimaaktivist*innen von ungerechtfertigten Maßnahmen und Verfolgung betroffen sind, sobald eine Protestform ins Visier der Strafverfolgung gerät. Marcel stellte noch einmal klar, dass Protest, auch wenn er einfache Gesetze verletzt, unter den unbedingten Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit fällt. Er schloss mit einem Überblick darüber, wie die Räume für die Zivilgesellschaft in Deutschland und weltweit systematisch eingeschränkt werden, repressive Polizeipraktiken und hetzende Diskurse in den sozialen Medien die Klimaproteste immer weiter kriminalisieren und in die Selbstzensur und Ohnmacht zwingen. In einer von Aliki Alamanis wunderbar moderierten Podiumsdiskussion gaben anschließend Anne Stadtmüller, ebenfalls von der Klimakogruppe, Emmanuel Schlichter von Green Legal Impact sowie Kali* von Ende Gelände spannende Einblicke in ihren Aktivismus, ihre Ziele und Sorgen. Dabei wurde deutlich, dass sich – trotz geteilter Ziele – unsere Analysen und Methoden oft unterscheiden, und es ergab sich ein fruchtbares Gespräch darüber, wie wir die Klimakrise verstehen, wie radikal Klimaprotest sein darf und muss und wie alle Diskutant*innen in die Zukunft blicken. Emmanuel erklärte, wie Green Legal Impact die Klimaproteste rechtlich begleitet, das heißt Klagen und Beschwerden gegen Gesetze zu ungerechten Polizei- und Verfolgungspraktiken einreicht, Rechtsberatung für Klimaaktivist*innen betreibt und die Öffentlichkeit rechtlich fundiert aufklärt.
Ein inspirierendes Video über den Protest von Ende Gelände fesselte unsere Aufmerksamkeit, als Kali* begann, über die engen Verflechtungen zwischen Klimakrise, Kapitalismus und Menschenrechtsverletzungen zu sprechen und erklärte, dass alle Protestformen – die Besetzung von Braunkohlerevieren durch Ende Gelände wie auch die Recherche- und Aufklärungsarbeit von Amnesty – Hand in Hand gehen und notwendig sind.
Anne von der Klimakogruppe sprach darüber, wie die öffentliche Wahrnehmung Klimaaktivist*innen kriminalisiert, zu Terrorist*innen macht und ignoriert. Dennoch blickte sie mit einem „hoffnungslos optimistischen“ Blick nach vorne. Leider mussten wir auf die spannende Perspektive der Klimajournalistin und Aktivistin Louisa Schneider verzichten, die nicht teilnehmen konnte.
Zum Abschluss des Vormittags gab es ein gemeinsames Foto des Jugendtreffens und ein gutes Mittagessen. Durch Pestonudeln gestärkt und mit Filterkaffee bewaffnet begann derzweite Teil. Eva, die dieses Jahr Jugenddelegierte bei der Global Assembly, der internationalen Jahresversammlung, war, stellte uns die Amnesty-Welt jenseits der deutschen Sektion vor. Anschaulich erklärte sie uns die komplizierten Governance-Strukturen und berichtete vom zentralen Thema des Treffens, nämlich Solidarität, durch die wir einen echten Menschenrechtsschutz für alle erreichen. Abschließend zeigte sie zahlreiche Möglichkeiten zur Jugendbeteiligung auf internationaler Ebene auf: von einer Mitgliedschaft in der Fachkommission Internationales über Besuche internationaler Treffen wie dem European Youth Meeting oder der Global Assembly bis hin zur Internationalen Jugendvertretung, dem Global Youth Collective, oder gleich dem Internationalen Vorstand.
Katja gab anschließend einen weiteren Einblick in die internationale Amnesty-Arbeit. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es eine Partnerschaft zwischen Amnesty Ghana und Amnesty Deutschland. Dabei sind zahlreiche Projekte entstanden: gemeinsame Aktionen, solidarische Unterstützung, Wissens- und Erfahrungsaustausch, gegenseitige Besuche, gemeinsameMenschenrechtsbildung und vieles mehr. Im vergangenen Jahr wurde die Jugendpartnerschaft wieder mehr ins Zentrum gerückt, unter anderem durch ein tolles gemeinsames Webinar zu „Decolonizing Policing“.
Direkt im Anschluss stellte die Jugendvertretung 2023/24 ihren Rechenschaftsbericht vor, bevor eine neue Jugendvertretung das Ruder übernahm. Die scheidende JuVe berichtete unter anderem von ihrer Vernetzungsarbeit in verschiedenen Gremien und auf zahlreichen Veranstaltungen, von ihrer harten Arbeit zur Vorbereitung der Jugendaktionswoche und des diesjährigen Sommercamps sowie von ihrer Zusammenarbeit mit Amnesty Ghana und vielen weiteren tollen Aktionen. Zum Schluss wurde noch ein kleines, liebevolles Video gezeigt, bevor Isaac, Sarah, Romy, Maire, Clara, Rainer und Sophie mit lautem Applaus verabschiedet und von einer dankbaren Jugend aus ihrem Amt entlassen wurden.
Der mittägliche Koffeinkick ließ langsam nach, aber unser dynamisches Moderator*innenduo Mona und Marcel führte gekonnt in die Kandidierendenvorstellung. Nach einer kurzen Einführung durch die Wahlkommission standen neun mutige und beeindruckende Kandidat*innen Rede und Antwort. Louisa Hadadi, Sahra Rezaie, Raz Safi, Angelina Mannarino, Aliki Alamanis, Cindy Hopmann, Hannah Kimmig, Felix Bittner und Anne Stadtmüller sprachen zentrale Themen an, die ihnen am Herzen lagen, unter anderem die Bundestagswahl, Rechte von FLINTA*, Awarenessarbeit im Verein, die Stärkung der Jugend, internationale Zusammenarbeit und Solidarität sowie das Ziel einer höheren Diversität in der Jugend.
Während die Kandidierenden gespannt die Abstimmung abwarteten, widmete sich das Jugendtreffen den Anträgen. Es wurde unter anderem eine Stimmrechtsreform und eine Neuregelung der Initiativantragsprozesse beschlossen, eine dreimonatige Übergabezeit zwischen den Jugendvertretungen eingerichtet und ein Antrag auf Mindestalter von Kandidierenden abgelehnt. Die Moderation führte mit Humor, nötiger Strenge wie Großzügigkeit in perfekter Abstimmung mit dem auf Hochtouren arbeitenden Openslides-Team durch die Debatten. Unterstützt wurde sie dabei durch die zugewandte Redekultur der Teilnehmenden: Ab und zu wurden die starren Formalia verlassen, und Redner*innen legten die Regeln nicht selten auch mal großzügig gegen die eigenen Interessen aus, damit die Gegenseite ausreichend Raum bekam und gehört werden konnte. Dadurch entstanden immer wieder schöne Momente der Verbundenheit im Raum, die zeigten: Das hier ist keine Mini-Jahresversammlung, sondern Jugend@Amnesty. In dieser Atmosphäre der Wertschätzung wurden als krönender Abschluss die Wahlergebnisse verkündet: Louisa, Sahra, Angelina, Aliki, Cindy, Hannah, Felix und Anne werden zukünftig die deutsche Amnesty-Jugend repräsentieren. Mit einem großen Dank an alle Mitarbeiter*innen und jungen Aktivist*innen, die das Sommercamp und Jugend@Amnesty möglich gemacht haben, endete das Treffen. Und den letzten Aufruf zum Mitmachen und Mitgestalten im Ohr war das ganze Jugendtreffen auch schon auf dem Weg zum Badesee.
Autor:innen: Lenja Vogt und Katja Nübler